1955 kommt der sehnsüchtig erwartete Mercedes-Benz 190 SL (W 121) auf den Markt. Das zweisitzige Cabriolet auf der technischen Basis der oberen Mittelklasse bringt Freude und Farbe in den Alltag der Wirtschaftswunderzeit. Der 190 SL setzt international Maßstäbe für eine Kultur des komfortablen Reisens mit Stil und sportlicher Eleganz. Gemeinsam mit dem „großen Bruder“ 300 SL bereitet er so der erfolgreichen Mercedes-Benz SL-Tradition den Weg bis hin zum aktuellen R 231. Heute gehört der W 121 zu den Klassikern mit besonders guter Wertentwicklung.
Von diesem Auto träumen Fachwelt und Öffentlichkeit, seit es im Februar 1954 auf der „International Motor Sports Show“ in New York als Prototyp gezeigt wird. Im März 1955 steht der Mercedes-Benz 190 SL nun in seiner endgültigen Form auf dem 25. Salon International de l’Auto in Genf und findet ein grandioses Echo. Vom „Mercedes-Benz 190 SL mit seiner bestechend schönen Linie“ schwärmt zum Beispiel die Wochenzeitung „Die Zeit“. Den Impuls zur Entwicklung des Roadsters hat der US-amerikanische Mercedes-Benz Importeur Maximilian Edwin Hoffman gesetzt.
Der 190 SL, dessen Hauptproduktion im Mai 1955 beginnt, ist ein offenes, zweisitziges Fahrzeug für das gleichermaßen komfortable wie stilvolle Reisen. Karl Wilfert und Walter Häcker entwerfen seine Karosserie mit sportlicher Linienführung, die sich stilistisch am Design des Supersportwagens 300 SL „Gullwing“ (W 198) orientiert. Während das Flügeltür-Coupé auf einem komplexen Gitterrohrrahmen basiert, baut das Cabriolet 190 SL auf der verkürzten Rahmenbodenanlage des Limousinenmodells 180 „Ponton“ (W 120) auf. Angetrieben wird der 190 SL vom neu entwickelten und 77 kW (105 PS) starken 1,9-Liter-Vierzylindermotor M 121 mit oben liegender Nockenwelle.
Der Mercedes-Benz 190 SL steht für das Lebensgefühl der „Swinging Fifties“, für eine farbenfrohe Lebensfreude und Leichtigkeit – das zeigen auch die Auftritte des Wagens in unbeschwerten Filmen der Epoche wie „Die Zwillinge vom Zillertal“ (1957) und „Solange noch die Rosen blühn“ (1956). Zum Traumwagen der fünfziger Jahre wird der 190 SL aber insbesondere vor dem wirtschaftlichen Hintergrund des einsetzenden Aufschwungs und dem Erstarken der individuellen Mobilität: Nie zuvor hatten so viele Menschen die Chance, sich den Traum vom eigenen Auto zu erfüllen. Da kommt der Traumwagen 190 SL genau zum richtigen Zeitpunkt.
Auch wenn der 190 SL nicht auf Rennsporttechnik basiert wie sein „großer Bruder“ 300 SL, so setzt auch er sportliche Akzente. Das gilt inbesonders für die kurzzeitig angebotene Rennversion mit scheibenlosen Aluminium-Türen, verkleinerter Windschutzscheibe und weiteren Modifikationen. Stoßstangen und Verdeck dieser Variante lassen sich für Rennen abnehmen. Zu den großen Erfolgen des Fahrzeugs gehört der Klassensieg von Douglas Steane beim Großen Preis von Macau 1956.
Mit seinen Stärken wird der 190 SL in aller Welt zum Botschafter für die neuen Mercedes-Benz Baureihen der 1950er-Jahre: Fast 80 Prozent der gesamten Produktion des W 121 (von 1955 bis 1963 entstehen insgesamt 25.881 Fahrzeuge) gehen in den Export. Dabei sind die Vereinigten Staaten der wichtigste Markt, fast 40 Prozent aller 190 SL werden in die USA verkauft.
Heute gehört diese automobile Ikone der Wirtschaftswunderzeit zu den besonders wertvollen Klassikern: Seit 1980 hat der 190 SL seinen Wert nach den Angaben der Historic Automobile Group International (HAGI) pro Jahr im Durchschnitt um rund zehn Prozent gesteigert, seit 2004 waren es sogar über elf Prozent. Entsprechend prominent rangiert der Roadster in der Spitzengruppe des Mercedes-Benz Classic Index (MBCI) von HAGI. Auch diese Wertschätzung der Sammler in aller Welt spricht für die ungebrochene Faszination des Traumwagens, der 1955 – vor 60 Jahren – sein Debüt erlebt hat. (ampnet/Sm)