Wohl aber daran, ob und wie viel Vergnügen es bereitet, ihn zu fahren. Wer gezwungen ist, seinen Freiluft-Viersitzer in Hörweite von Nachbarn zu starten, sollte vorher schon mal Entschuldigungs-Zettelchen in die Briefkästen werfen. Der Schlüsseldreh entfacht ein enormes Getöse, das zwar standesgemäß ist, aber von Unbeteiligten nicht immer goutiert wird. Einen Wimpernschlag später grummelt das 4,7-Liter-Triebwerk lässig vor sich hin, bereit zu neuen Fanfarenstößen aus armdicken Endrohren. 460 Pferde warten darauf, vom Zügel gelassen zu werden, je nach Wunsch im Normal- oder im Sportmodus.
Doch zunächst ist Vorsicht geboten: Eine niedrige Bauweise, die geringe Bodenfreiheit eines echten Sportwagens und 2,94 Meter Radstand vertragen sich nicht unbedingt mit Mulden und Rampen, wie sie Grundstückseinfahrten oder Parkhäuser mitunter aufweisen. Unbeabsichtigte Bodenberührungen können die Folge zu großer Vorfreude auf die erste Ausfahrt sein. Die korrekte Sitzeinstellung hat man am besten bei noch geöffneter Tür erledigt, denn der schmale Spalt, der nach ihren Schließen zwischen Verkleidung und Sitz bleibt, reicht nur noch für eine Kinderhand. Die Sicht nach hinten ist bauartbedingt mäßig. Beim Rangieren hilft die serienmäßige Rückfahrkamera.
Doch dann kann man es „krachen“ lassen – und zwar im wörtlichen, nicht nur im übertragenen Sinne. Obwohl der Motor nach Herstellerangabe 4750 Umdrehungen braucht, um 520 Newtonmeter Drehmoment frei zu setzen, geht auch schon weit unter diesem Wert richtig die Post ab. Untermalt von einer souveränen Acht-Topf-Sinfonie schiebt der Maserati gewaltig an, wenn nötig, in fünf Sekunden auf 100 km/h. Die optische Qualität des Motors steht der technischen nicht nach. Eigentlich sollte man eine transparente Motorhaube bestellen können, damit auf dem Parkplatz auch andere etwas von dem kunstvollen Kraftwerk haben.
Um die Soundfülle in all ihren Facetten auszukosten, empfiehlt es sich, das Sechsgang-Getriebe (bei einem Nachfolger dürften es wohl acht Stufen sein) auf manuellen Modus zu stellen und per Lenkradpaddel Übersetzungen und Klangfarben zu variieren. Die Paddel sind bei Maserati traditionell fest mit der Lenksäule verbunden, was in der Eingewöhnungsphase zu Fehlgriffen an den Lenkstockhebeln führen kann. Der Innenraum ist klassisch-edel eingerichtet. Wünsche nach umfangreicher Karbon-Möblierung können die Rechnung schnell um einen fünfstelligen Betrag erhöhen.
Die möglichen Fahrleistungen lassen keinen Zweifel an der Sportlichkeit des Gran Cabrios zu. Die gute Gewichtsverteilung (Motor hinter der Vorderachse) und ein Sperrdifferenzial sorgen dafür, dass die Hinterräder die Kraft verlustfrei auf die Straße bringen. Seinem Wesen nach ist der Luxusliner aber eher ein Cruiser als ein Sprinter. Dafür sprechen nicht nur die komfortable Fahrwerkabstimmung und eine Lenkung, die man sich zuweilen etwas direkter und rückmeldungsfreudiger wünschte, sondern auch die Tatsache, dass die Insassen auch ohne Windschott gut gegen Zugluft abgeschirmt sind. Wer sich sein Gran Cabrio mühsam zusammensparen musste, wird dankbar sein: Maserati berechnet dafür 960 Euro. Bei Landstraßentempo gibt es für die vorderen Passagiere jedenfalls kaum störende Wirbel, was den fahrbaren Sonnenstuhl erst richtig zum Genuss macht.
Deutlich weniger als das überland gebräuchliche Tempo muss man einhalten, will man das Dach öffnen oder schließen. Viele sportliche Cabriolets lassen dies bis 50 km/h zu, beim Gran Cabrio liegt das Limit bei 30 km/h. Luft und Sonne herein zu lassen, dauerte beim Testwagen 26,5 Sekunden, sie auszusperren eine Sekunde weniger. Sollen zusätzlich die Seitenfenster versenkt oder geschlossen werden, kommen noch mal fünf Sekunden obendrauf. Das kostbare Gefährt auch mal offen stehen zu lassen, ist zwar nicht empfehlenswert, aber möglich, denn es gibt eine gut funktionierende elektronische Innenraumüberwachung. Sie schlägt bereits an, wenn man nur mal eine Tasche auf den Rücksitz stellen will. Ist die Segeltuchhaube im Verdeckkasten verschwunden, bleiben 173 Liter Gepäckraum. Die 25 Zentimeter lichte Öffnung und die Tiefe des Staufachs von 43 cm reduzieren die verwendbaren Behältnisse. In Wochenendtrips für zwei Personen findet das große Cabrio folglich seine eigentliche Bestimmung.
Auch wenn es für eine wohl situierte Kundschaft von geringem Belang sein mag, ein Wort zum Verbrauch: Im Mittel 14,5 Liter auf 100 Kilometer, sagt Maserati. Mindestens 16 Liter sagt unser Praxistest, bei dem der Sportmodus ebenso so selten zur Anwendung kam, wie das beeindruckende Spurtvermögen. Mit 20 Litern sollte rechnen, wer die dynamischen Qualitäten für persönlichen Lustgewinn einsetzen will. Eine Start-Stopp-Automatik ist nicht vorhanden. Verbrauchsfördernd ist allerdings nicht nur eine forsche Fahrweise, sondern auch das hohe Gewicht des Viersitzers. Statt der offiziellen 1980 Kilogramm brachte der Testwagen derer 2090 auf die Waage.
Fazit: So kurzweilig und angenehm das Fahren in Maseratis großem Cabrio ist, so sehr wünschte man sich in einigen Details zeitgemäße Lösungen. Das gilt nicht zuletzt für die Ausstattung mit Assistenzsystemen. Wer nicht auf den Euro achten muss und auf Exklusivität Wert legt, ist mit dem Wagen gut bedient. Dass man unterwegs ein zweites Fahrzeug dieses Typs trifft, ist nämlich extrem unwahrscheinlich. (ampnet/afb)